Sand in den Schuhen und doch nicht am Strand

Am Sonntag, den 3. August bestieg ich das Flugzeug nach Afrika. Ich wusste, wo dieses Land liegt, ich habe darüber etwas im Fernsehen gesehen und Berichte gelesen. Aber das Land dann selbst besuchen ist etwas anderes. Nach einer 18-stündigen Reise kam ich in der Hauptstadt Botswanas, Garbarone, an. Ein kleiner Provinzflughafen, ein Mann am Zoll und unser Flugzeug stand als einziges auf dem Rollfeld. Ich bin da! Im ersten Moment kann ich es gar nicht fassen. Ich bin mehr als 8000 km weit weg von zu Hause, auf der Südhalbkugel, mitten in Afrika. Als ich mich an diesen Gedanken und an meine ersten Eindrücke von der Umgebung, die warme Luft, den strahlend blauen Himmel und die gelb-braun gefärbte Natur, gewöhnt hatte, war ich auch schon durch die Zollkontrolle. Mit offenen Armen begrüßten uns Bachaki Noko, der Superintendent unseres Partnerkirchenkreises, und Kgalalelo Radibe, die nationale Aidsbeauftragte der Partnerkirche ELCB.

Wir packten unsere Sachen in die Autos, von denen in Deutschland wahrscheinlich keines über den TÜV gekommen wäre, und fuhren zum Woodpecker, einem Seminar für angehende Pfarrer der ELCB. Dort konnten wir endlich T-Shirts wechseln und „uns mal lang machen“.

Auf dem Weg in die Wüste

Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit von drei Tagen, die wir im Woodpecker unweit von Gaborone verbrachten, machten wir uns mit zwei Autos und einem Truck, auf dem sich die Baumaterialien befanden, auf den Weg in die Wüste. Genauergesagt nach Kang, einer 3000-Seelen-Stadt mitten in der Kalahari-Wüste. Erreichbar über die Transkalahari, eine Strasse, die sich quer durch die ganze Wüsten zieht.

Als wir Kang in den späten Abendstunden erreichten, erwartete uns viele Menschen: Junge, Alte, Kinder, Pfarrer, die Dorfältesten und Menschen, die einfach nur gehört hatten, dass Leute aus Europa ankommen sollten. Dort trafen wir auch zum ersten Mal unsere Partnergruppe, bestehend aus acht Jugendlichen aus dem ganzen afrikanischen Partnerkirchenkreis. Dann bauten wir unsere Zelte auf.

Am folgenden Tag betrachteten wir das Haus, in dem wir die kommenden drei Wochen arbeiten sollten. Es war ein altes Lagerhaus der Kirche, in dem Lebensmittel für Dürrejahre gelagert worden waren. Heutzutage wird es nicht mehr gebraucht und so war unser Ziel, es so zu renovieren, dass die örtliche Aidshilfe einen festen Platz für ihre Arbeit hat und dass auch noch genug Raum ist um sich um Aids-Waisenkinder zu kümmern.

Herausforderung Aids

Botswana ist ein Land, das mit 38,8 Prozent die höchste Aidsrate in Afrika unter der erwachsenen Bevölkerung hat. Sterben die Eltern eines Kindes an Aids, so müssen sich die Großeltern um das Kind kümmern. Das ist nicht immer möglich. Durch Aids stirbt eine ganze Generation aus. Die Folgen für das Land und seine Wirtschaft sind fatal. Hilfsorganisationen aus aller Welt, aber auch die Botswaner selbst, engagieren sich und hoffen, der Epidemie Einhalt gebieten zu können.

Das Haus, das wir renovierten, bestand nur aus zwei Räumen. Der vordere sollte bleiben, wie er war, und nur einen neuen Anstrich erhalten. Der hintere sollte in vier kleinere Räume aufgeteilt werden.

Logistik à la Botswana

Steine wurden nicht geliefert, das ist in Afrika etwas anders als in Deutschland. Mit dem Truck der Kirche fuhren wir in den Ort und luden Steine auf. Jeder war in seiner Größe ein wenig verschieden, keine DIN-Norm, und jeder musste per Hand auf die Ladefläche befördert werden. Und herunter wieder genauso.

Als wir kein Feuerholz mehr hatten – wir haben in Afrika auch auf offenem Feuer gekocht – fuhren wir mit dem Truck in den Busch um Neues zu holen. Einfach ein Stück in die Wüste fahren, von der Teerdecke der Transkalahari herunter, in den Busch hineinfahren und herumliegende Äste aufladen. Das hört sich einfach an, das Problem ist jedoch: das Herauskommen aus dem Busch. Unzählige Male sind wir auf unseren Fahrten im Sand stecken geblieben. Die Reifen hatten sich festgefahren und alle Passagiere mussten mitgraben und -schieben. Manchmal denke ich, dass wir mit mehr Profil auf den Reifen nicht so oft im Sand stecken geblieben wären Aber in Afrika ist alles ein wenig anders: Der Maurer mauert mit Badeschlappen und wenn die Wand trotz Gebrauch von Wasserwaagen schief wird, dann wird sie eben schief.

Während der gesamten Camp-Zeit durften wir das Haus von Superintendent Noko benutzen. Zum Versammeln, Essen und auch um kleinere Dinge auf dem Gaskocher zu kochen. Mit zwanzig Personen benutzen wir ein Bad, was manchmal zu langen Schlangen davor führte. Resultat: Man muss sich nicht unbedingt vor dem Essen die Hände waschen. Es geht auch so! Zum Glück gab es noch eine Toilette – sogar mit Wasserspülung – in einem kleinen Häuschen neben unseren Zelten.

Umwerfender Gottesdienst

Am ersten Sonntag in Botswana erwartete uns der erste Gottesdienst. Voller Neugier wurden wir von der Gemeinde beäugt. Der Gottesdienst war wirklich umwerfend. Als das erste Lied angestimmt wurde, fing plötzlich eine Frau an zu tanzen – und alle tanzten mit. Irgendjemand klatsche auf das Gesangbuch völlig neben dem Takt – aber weil das alle taten, klang es doch irgendwie gut. Zwei Stunden Gottesdienst und ich erinnere mich an keinen Moment an dem ich an ein Ende herbeigesehnt habe. Nach der Kirche stellte sich jeder vor den Eingang und alle die herauskamen, gaben jedem singend die Hand. So wurde jeder verabschiedet und bekam ein Lächeln mit auf den Nachhauseweg.

Nach etwa anderthalb Wochen waren die Innenwände des Aids-Zentrums fertig gemauert und wurden verputzt. Dann fing die Feinarbeit an: Ritzen und Risse zuschmieren, Türen passend hobeln und Schlösser in die Türen einsetzen. Der Maurer hämmerte einmal eine Schraube in die Tür: Er hatte keinen Schraubenzieher.

Zum Ende der dritten Woche näherte sich die Arbeit dem Ende. Das Haus war innen und außen gestrichen. Kalahari-gelb und Buschbaum-braun. Die dominierenden Farben bei fast allen Häusern in Kang.

Wir übergaben das Haus der Aidshilfe-Gruppe und brachen unsere Zelte ab. Dann machten wir uns auf den Weg nach Werda, dort sollte die Feier zum 20-jährigen Partnerschaftsjubiläum stattfinden. Dort trafen wir auch Superintendent Horst Hörpel und Peter Völzing wieder. Beide waren extra für dieses Jubiläum angereist und hatten sich schon einen Abend unsere Arbeit in Kang angesehen. So fuhren wir mit den 20 Personen unseres Camps und etwa 18 Personen des Jugendchores allesamt auf der Ladefläche des Kirchentrucks dem Jubiläum entgegen.

Der Händedruck danach

In Werda waren die Gäste und Helfer an Feuern versammelt. Jeder hatte ein eigenes Feuer, die Ältesten, die Frauen und wir, die Jugend.

Der Gottesdienst mit Abendmahl dauerte gut drei Stunden – lange, aber wirklich interessant. Die Predigt wurde auf Englisch (Amtssprache) gehalten und auf Setswana (Landessprache) und Afrikaans (klingt ähnlich wie Niederländisch) übersetzt. Die Kinder saßen ganz vorne vor dem Altar und die Ältesten und besondere Gäste saßen rund um den Altar herum. Auch dort gab es wieder das bekannte Händeschütteln nach dem Gottesdienst. Beeindruckend, wenn das eine komplett gefüllte Kirche macht.

In den frühen Abendstunden, vielleicht kam es mir auch nur so vor, weil es schon gegen halb sieben dunkel wurde, gab es ein Konzert in der Kirche. Beeindruckend war, dass zwei Afrikaner zusammen besser singen konnten als unsere ganze deutsche Gruppe zusammen. Aber es war echt schön und die afrikanischen Melodien und Texte begleiten mich auch jetzt, obwohl ich schon wieder acht Wochen in Deutschland bin, immer noch jeden Tag.

Tote Hose an der Tanke

Montagmorgen sollte es losgehen in Richtung Tsabong und Transfrontier-Nationalpark. Drei Tage wollten wir dort verbringen. Unsere Planung war gut, doch sie scheiterte an den einfachsten Dingen. Unser Diesel für den Truck war leer und die Tankstelle hatte auch zwar welches, aber: In Werda war Stromausfall. Der aus Südafrika kommende Strom blieb aus und so standen die Benzinpumpen der Tankstellen – und damit auch unser Truck. Am nächsten Morgen konnte es aber losgehen.

Als wir Tsabong erreichten, war plötzlich die Teerstrasse zu Ende und wir fuhren auf Sandpisten weiter. Natürlich blieben wir auch öfter mal hängen, aber ich hatte mit Schlimmeren gerechnet.

Den Topf im Baum

Im Nationalpark angekommen, begegneten uns die ersten Antilopen und Springböcke kaum, dass wir den Eingang passiert hatten. Wir schliefen nachts mit der gesamten Gruppe auf der Ladefläche. Das Essen in den Töpfen hing in den Bäumen zum Schutz vor wilden Tieren. Zu meiner ersten Nacht kann ich nur sagen, dass es bei uns keinen Vergleich zu dem Sternenhimmel der Kalahari gibt. Die Sterne fangen am Horizont an und ohne große Mühe ist die Milchstrasse zu erkennen.
Als ich am übernächsten Tag den Park wieder verließ, lautete die Bilanz der gesichteten Tiere: Antilopen, Gnus, Springböcke, Strauße, Hyänen, Schakale, seltene Vögel, Erdmännchen und natürlich auch ein Löwe.
Auf unserer letzten Fahrt in Richtung Hauptstadt war ein letztes Mal Gelegenheit, die rote Erde Afrikas und den unendlich wirkenden Busch zu bestaunen.

Wasserfeste Erinnerungen

Nach sechs Stunden Fahrt erreichten wir Garborone, letzte und erste wirkliche Gelegenheit, Mitbringsel und Andenken zu kaufen, oder besser zu erhandeln. Und dann war auch schon der Abschied von den Menschen, die vier Wochen neben uns gearbeitet, geschlafen und gelebt haben, gekommen. Es wurde gedrückt und getanzt, Adressen ausgetauscht und Tränen gewischt.
Erst als ich im Flugzeug von der Stewardess ein Erfrischungstuch bekam und mir damit den Staub von Gesicht und Hals wischte, war mir klar, dass ich auch so einiges mitgenommen hatte, das nicht so einfach fortzuwischen ist.