Ziemlich verdutzt waren viele Afrika-Experten Mitte der 70er-Jahre: Ein Land, dem sie wenige Jahre zuvor eine Zukunft in Armut vorhergesagt hatten, überraschte Jahr für Jahr mit dem weltweit höchsten Wirtschaftswachstum. Botswana, das zweitärmste Land der Welt, entwickelte sich ausgesprochen prächtig.
Doch in dem Land im südlichen Afrika brummte nicht nur die Wirtschaft. Botswana entwickelte sich auch zu einer Demokratie wie aus dem Lehrbuch. Wenn sich Ende September die Unabhängigkeit zum 40. Mal jährt, hat das unscheinbare Land allen Grund zu feiern, findet der Entwicklungsforscher Professor Fred Krüger von der Universität Erlangen-Nürnberg: „In Botswana gibt es Vertrauen in die Demokratie. Es gibt ein hohes Maß an Stabilität nach innen und außen. Das Rechtssystem funktioniert.“
Es hätte auch anders kommen können: Als die Briten 1966 ihr Protektorat Betschuanaland räumten, hinterließen sie so gut wie nichts. In dem Land, das etwa so groß wie Frankreich ist, gab es gerade einmal zwölf Kilometer befestigte Straßen. Nur 40 Botswaner hatten eine Universitätsausbildung. Moderne Fabriken gab es so gut wie keine. Wer Geld verdienen wollte, musste in die Minen des Apartheidsstaates Südafrika gehen.
Solide Grundlage für die gute Entwicklung waren vor allem die Eliten des Landes: „Das demokratische Verständnis ist sehr weit verwurzelt“, erklärt Krüger. In der dominierenden Kultur der Tswana seien die Stammeshäuptlinge keine Alleinherrscher, sondern Repräsentanten, die ihren Untertanen Rechenschaft schuldig sind.
Das hatte Auswirkungen. Im Unterschied zu den meisten anderen afrikanischen Staatsführern wollte die Mannschaft um den ersten Präsidenten Seretse Khama vor allem eines: das eigene Land voranbringen und den Bürgern ein besseres Leben ermöglichen.
Dazu verfolgten sie einen sehr pragmatischen Weg: ¶Die Regierung investierte in vernünftige, regensichere Straßen aus Asphalt, kostenlose Schulen für alle Kinder und ein landesweites Gesundheitssystem, das alle Bürger umsonst nutzen können.¶
Die seit den 70er-Jahren sprudelnden Einnahmen aus dem Verkauf von Rohdiamanten verschafften Botswana riesige Devisen-Reserven. Sie wurden zum Teil für den Aufbau eines sozialen Sicherungssystems verwendet, das, wenn auch nicht mit Europa vergleichbar, einmalig in Afrika ist. Mit den Diamanten-Dollar kann sich Botswana auch teure Medikamente für seine Aids-Kranken leisten. Rund 330 000 Menschen sind mit HIV infiziert, ein Drittel davon ist an Aids erkrankt. „Erhebliche Mittel fließen in die Aids-Therapie“, erklärt Krüger.
Die Immunschwäche Aids ist nach einhelliger Meinung von Entwicklungsexperten und botswanischer Regierung das drängendste Problem des afrikanischen Musterlands. So mischen sich zum Geburtstag unter die Lobeshymnen auch Wehklagen: Die Aids-Rate hat sich trotz Aufklärungskampagnen kaum gebessert. Jeder dritte Botswaner trägt das Virus in sich.